Stellenabbau und Bewerberflut? Warum mehr Kündigungen nicht automatisch bessere Matches bedeuten

In den vergangenen Monaten häufen sich die Schlagzeilen über groß angelegte Stellenstreichungen in deutschen Konzernen. Unternehmen wie Thyssenkrupp, SAP, Bayer, Bosch oder die Deutsche Bank kündigen den Abbau tausender Stellen an. Was auf den ersten Blick nach einem wachsenden Bewerbermarkt aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als trügerische Illusion.

Der Trugschluss vom „einfacheren Recruiting“

Richtig ist: Der Arbeitsmarkt bewegt sich. Mehr Menschen sind offen für einen Wechsel, weil Unsicherheit, Restrukturierungen und Frust über mangelnde Perspektiven in vielen Unternehmen zunehmen. Doch diese Wechselbereitschaft bedeutet nicht automatisch, dass Vakanzen einfacher zu besetzen sind.

Im Gegenteil: Besonders die kritischen Positionen, etwa im strategischen Controlling, in der digitalen Transformation, im Engineering oder in der Produktentwicklung, bleiben weiterhin schwer zu besetzen. Denn die Top-Kandidatinnen und Kandidaten in diesen Feldern sind auch in Krisenzeiten nicht „einfach verfügbar“. Sie wechseln nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Und genau dieser Unterschied ist entscheidend.

Was Kandidaten heute wirklich wollen

  • Sinnstiftung: Sie suchen nach Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen gesellschaftliche Relevanz haben.
  • Sicherheit: Nach mehreren Krisenjahren wächst der Wunsch nach Stabilität und Verlässlichkeit.
  • Perspektive: Kandidatinnen und Kandidaten wollen nicht einfach den nächsten Job, sondern echte Entwicklungschancen.

Standardisierte Prozesse, unpersönliche Bewerbungstools und das Festhalten an starren Präsenzpflichten passen kaum noch in diese neue Realität. Wer heute gute Leute gewinnen will, braucht mehr als ein vermeintlich attraktives Stellenprofil. Es braucht eine überzeugende Arbeitgebermarke, maßgeschneiderte Ansprache und ein tiefes Verständnis für die Motivation wechselbereiter Kandidatinnen und Kandidaten.

Wettbewerb um Talente bleibt – auch in der Krise

Selbst wenn sich das Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt zeitweise verschiebt: Der Wettbewerb um die wirklich qualifizierten Fach- und Führungskräfte bleibt hoch. In manchen Bereichen, etwa IT, Finance, Versicherungsmathematik oder Data Analytics, spitzt er sich sogar weiter zu. Der demografische Wandel, die Digitalisierung und der Fachkräftemangel machen vor wirtschaftlichen Umbrüchen keinen Halt.

Die Realität in vielen Unternehmen sieht daher so aus: Obwohl der Bewerbermarkt größer erscheint, bleiben Schlüsselpositionen monatelang unbesetzt. Und das kostet. Nicht nur Zeit, sondern Innovationskraft, Umsatzpotenzial und Wettbewerbsfähigkeit.

Fazit: Recruiting ist kein Selbstläufer – auch nicht bei 11.000 Kündigungen

Stellenabbau bedeutet nicht automatisch, dass es einfacher wird, passende Mitarbeitende zu finden. Im Gegenteil: Die Spreu trennt sich vom Weizen. Wer heute wechselt, stellt höhere Anforderungen, wägt sorgfältiger ab und erwartet mehr.

Deshalb bleibt professionelles Recruiting entscheidend. Unternehmen, die diesen Wandel verstehen und aktiv gestalten, besetzen weiter erfolgreich. Wer jedoch in alten Denkmustern verharrt, wartet vergeblich auf die perfekte Bewerbung im Posteingang.